Manchmal beeindruckend, manchmal amüsierend, aber immer zur Kenntnis genommen wurden die akribischen Versuche meines Vaters, meiner Eltern, Geschenke und Erbschaft unter uns vier Geschwistern „gerecht“ aufzuteilen. Dazu wurde ein Heft geführt, das alle Zuwendungen dokumentierte und zwischen uns ausgleichen sollte. Mit dem Schreiben meines Stammbaums fragte ich mich auch, woher denn das käme. Vorausgeschickt sei, dass es im Mühlviertel, der Jungwirth-Heimat, üblich war, dass der Erstgeborene in die elterlichen, väterlichen, Fußstapfen trat.
Der erste bekannte Jungwirth, Matthias, wurde 1600/1601 in Parkfried, Böhmerwald, geboren und war dort Bauer.
Sein erstgeborener Sohn Michael (*1635) ging als Knecht in den Nachbarort Perneck und war dort später Inmann („Häusler“). Mit nicht ganz 40 Jahren hatte er (weil er der Erstgeborene war?) die Möglichkeit, die Landwirtschaft seiner Eltern in Parkfried zu übernehmen und starb dort 1693[1].
Vermutlich konnte ihm sein erstgeborener Sohn Thomas dort nachfolgen. Mein direkter Vorfahre, Anton (*1667), musste als zweitgeborener Bub zwar nicht in die Ferne, aber war an seinem Geburtsort Perneck zuerst Knecht bei seinem Paten und versuchte es dann als Handwerker (Wagner) und Inmann im wenige Kilometer westlich liegenden Dorf Hintring.
Das machte insofern Sinn, als durch diese Gegend der „Goldene Saum“ verlief, die Karawanenstraße von Passau über den Böhmerwald nach Prag mit Rast- und Kutschenstationen. Um 1700 hatte dieser Weg nur schon fast all seine Bedeutung verloren. So schien das Gewerbe nicht zu florieren und Anton versuchte es mit über 50 Jahren noch einmal als Wagner in der nahen Kleinstadt Wallern.
Sein Erstgeborener, Lorenz (*1692), übernahm – wie es üblich gewesen wäre, aber weil er vermutlich keine Zukunft darin sah – nicht den elterlichen Betreib und ging zunächst (mit dem, was er zu Hause erlernt hatte) als Wagnergeselle in die Fremde. Er heiratete als 30-Jähriger (und erster Jungwirth meiner direkten Vorfahren auf der südlichen, der Mühlviertler Seite des Böhmerwaldes) in Ulrichsberg die aus Bayern stammende Sophia. Mit seiner Frau erwarb er die Schwarzenbergermühle, eine Glashütte und später Leinölmühle, im Jahr 1723 um 430 Gulden[2]. Dort stirbt auch sein Vater im Jahr 1750, der das Wagnergewerbe in Wallern anscheinend auch aufgegeben hatte. Offensichtlich war Vermögen vorhanden – vielleicht aus den aufgegebenen Wagnerwerkstätten oder von der Braut einer Müllers Tochter –, das gerade zum Glashüttenkauf reichte. Denn mit ihren zwölf Söhnen und Töchtern wwird diese Generation in der Geschichte des Stiftes Schlägl[3] als „arme, kinderreiche Familie“ geführt.
Wiederum mein direkter Ahne, der zweitgeborene, überlebende Sohn Gregor (*1734), wurde vom Schlägler Abt unterstützt, war sein Diener und Stiftsbäcker, bevor er als Eremit (Frater Anton) nach Schwarzenberg zurückkehrte und eine „Alternativkarriere“ als Lehrer, Pfarrgründer und Erbauer von Kirche und Schule begann. Nach seiner Heirat mit Maria Eleonore, der Pfarrersköchin, kaufte er in Rohrbach das später sogenannte „Jungwirth Haus“ (Rohrbach Nr. 16; heute: Stadtplatz 29), wo er bis zu seinem Tod als angesehener Bürger lebte.
Sein Erstgeborener, Johann Nepomuk (*1786), erhielt das Elternhaus und lebte auch dort.
Mein Vorfahre Anton (*1793) ging als drittgeborener Sohn zuerst als Müllermeister auf die Kastenmühl in Unterriedl[4], dann erwarb er das Haus Rohrbach Nr. 40 (heute: Stadtplatz 36), betrieb dort eine „Grießlerei“, wurde dann Besitzer von Rohrbach Nr. 26 (heute: Stadtplatz 33) und war Gastwirt. Der zweifache Hauskauf legt Vermögen nahe – wobei das erste Haus mit 23 Jahren erworben wurde und so elterliche Unterstützung (der Vater starb vor und die Mutter nach dem Hauskauf) wahrscheinlich ist. Beim zweiten Hauskauf, der mit der zweiten Ehe einherging, könnte Geld auch von der Ehefrau stammen, die Tochter eines Bürgers in Peilstein war.[5] Das kann auch deswegen vermutet werden, weil dieser Besitz an den Erstgeborenen der zweiten Ehe, Leopold *1832, ging, der es später (krankheitsbedingt?) abgab und sich als Pfründer in das Bürgerspital einmietete.[6]
Demgegenüber musste(?) mein direkter Ahne Anton (*1819) als erstgeborener Sohn der ersten Ehe mit A. M. Sonnleitner[7] wegziehen, heiratete in Altenfelden und war spätestens ab 1848 Wirt in Kirchberg ob der Donau Nr. 10. Als Grund für den Weggang aus Rohrbach vermute ich, dass sein Bruder Leopold (siehe oben) ihm vorgezogen wurde und er „weichen“ musste.
Danach war mein Vorfahre ein weiterer Anton (*1848), der als Erstgeborener Land- und Gastwirtschaft in Kirchberg übernehmen konnte[8]. Antons Kinder aus erster Ehe mit Anna Mayr starben, bevor sie erwachsen wurden. Der zweiten Ehe mit Cäcilia Wolfsteiner entstammten 14 Kinder.[9]
Warum der Erstgeborene dieser Ehe, Johann (*1888), nicht den elterlichen Betrieb übernahm bleibt unklar.[10] Hermann (*1891) als nächstgeborener (die Kindheit überlebender) Sohn wurde Wirt.[11]
Mein Großvater Leopold (*1893) war der drittgeborene lebende männliche Nachkomme von Anton und Cäcilia, hatte somit keinen Anspruch auf den elterlichen Besitz, arbeitete aber viele Jahre in diesem Betrieb, war Soldat im Ersten Weltkrieg, ging mit fast 30 Jahren in die Schweiz, nach Vorarlberg sowie Tirol und verdiente sein Geld in vielen Saisonjobs. Insgesamt führte er – auch durch lange Arbeitslosigkeit geprägt – ein für damalige Verhältnisse ärmliches Leben.
Mein Vater Hermann (*1933) schließlich wurde als erster ehelicher – es gab zuvor einen unehelichen Sohn Leopolds – Bub mit Ida geboren und begann mangels Vermögen sein Erwachsenenleben ökonomisch bei null.
Somit: Abgesehen vom ersten Jungwirth (Matthias *1600) hatte mein Vater acht direkte Vorfahren.
Vier davon war nicht Erstgeborene (Anton *1667; Gregor *1734; Anton *1793; Leopold *1893) und mussten abseits des elterlichen Hauses neu beginnen, wiewohl einmal (Anton *1793) anscheinend mit elterlichem Vermögen unterstützt.
Von den Erstgeborenen konnten nur zwei den elterlichen Besitz übernehmen (Michael *1635 und Anton *1848). Demgegenüber musste der erstgeborene Lorenz (*1692) als Geselle in die Ferne ziehen und sich in Schwarzenberg niederlassen, weil vermutlich das väterliche Wagnergewerbe nicht lebensfähig war. Und Anton (*1819) verließ den elterlichen Besitz, weil ihm, dem Erstgeborenen aus erster Ehe, sein Bruder Leopold, der Erstgeborene aus zweiter Ehe seines Vaters, beim Besitzübergang offensichtlich vorgezogen wurde.
waltraud neuhauser-pfeiffer :
Wunderbar u so weit die männliche Tradition. Und jetzt fehlen noch die Frauen- die das Leben schenken u das System erhalten- wäre auch interessant u berichtenswert!