Nicht weit von mir zu Hause steht das verwunschen erscheinende Rosenegg. Wer zudem seine sommerlichen, leicht morbiden Musikabende kennt, ahnt schon, dass es mit dem Schlösschen Besonderes auf sich haben könnte: Mitte des 19. Jahrhunderts fand sich hier ein Dichtersitz und Hort der Revolution.

Das kam so: Der 1818 geborene Wiener Alexander Julius Schindler arbeitete 1838 nach Chemie- und Mathematikstudium als Chemiker in der Steyrer Kattunfabrik (Baumwollfabrik), studierte dann noch Rechtswissenschaften in der Reichshauptstadt und lebte ab 1844 wiederum in der Eisenstadt. Er werkte am Magistrat und als Justiziar des fürstlichen Patrimonialgerichts (Gerichte der adeligen Grundherren, die bis 1849 eine eigene Rechtspflege ausübten) auf Schloss Steyr.

Während Schindler 1848 bis 1850 im Schloss Rosenegg – das Karla und Heinrich Barth besaßen (Begsteiger, Garstner Hauschronik, 1986) – lebte, entflammte der 30-Jährige für die Ideen der bürgerlich-demokratisch motivierten Revolution von 1848/49.

Er war zudem Kommandant in der Nationalgarde-Bürgercorps Steyr.

Im Mai 1848 kandidierte er in Steyr für das „Erste deutsche Parlament“ („Frankfurter Nationalversammlung“, die sich für ein Jahr aus der Revolution konstituierte und an der auch Österreicher teilnahmen). Dabei unterlag er jedoch dem legendären Prof. Ferdinand Redtenbacher.

Unser Revolutionär Schindler gab gemeinsam mit dem Schriftsteller F. W. Arming die erste in Steyr erschienene Zeitung heraus: Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Vom 18. März bis zum 30. Dezember 1848 wurde bei F. Sandböck dieses revolutionär eingestellte Blatt verlegt und bei M. Haas gedruckt.

Diese Gesinnung verhinderte eine Tätigkeit Schindlers im Staatsdienst in Oberösterreich, um die er sich bewarb. Er zog aus Steyr weg und wurde Staatsanwalt in der Steiermark. Wegen seiner politischen Überzeugung musste er 1854 auch das aufgeben.

Als 1861 der Reichsrat – eine Vorform des heutigen Parlaments im Kaisertum Österreich – eingerichtet wurde, konnte Schindler einen Abgeordnetensitz erlangen. Der Liberale Schindler wurde  mit rhetorischer Gewandtheit und Humor sowie aufgrund seines Engagements für die Abschaffung der Prügelstrafe zu einem prominenten Parlamentarier und blieb dies bis 1870. Er ging nach Salzburg, Schloss Leopoldskron, und starb 1883 in Wien.

Also: Schloss Rosenegg – ein revolutionäres Nest! Zumindest für ein Jahr.

Aber Poesie? Wiederum Julius Schindler. Ab 1835 verfasste er als „Julius von der Traun“  Novellen, Romane, Dramen und Gedichte.

Von seinen zahlreichen Werken schrieb er die „Rosenegger Romanzen“ (erschienen 1852) am nämlichen Schloss. In seiner Rosenegger Zeit gab er 1849 „Anton Schossers nachgelassene Lieder mit Singweisen und einer Biographie“ heraus und schuf unter anderem das Kohlhaas-Stück „Eines Bürgers Recht“ (Quelle: Kleinste Literaturgeschichte Steyrs).


Ein Werkverzeichnis unseres Rosenegger Dichterfürsten lädt zum Hineinschmökern ein:

1839, Die beiden Rittmeister
1847, Oberösterreich. Ein Skizzenbuch: (MDZ München; unter anderem eine Beschreibung von Rosenegg)
1848, Südfrüchte, zwei Bände
1849, Eines Bürgers Recht, Trauerspiel
1852, Die Rosenegger Romanzen: (MDZ München)
1852, Die Geschichte vom Scharfrichter Rosenfeld und seinem Paten, Novelle: MDZ München
1853, Herbsttage auf Helgoland
1853, Reisebilder
1853, Unter den Zelten, Soldatenlieder
1854, Die Gründung von Klosterneuburg. Ein Gedicht (2. Auflage) (MDZ München)
1858, Theophrastus Paracelsus, Volksdrama (MDZ München)
1862, Carte blanche, politische Sinngedichte
1871, Gedichte, Band 1 (Google Books), Band 2: (Google Books)

1873, Salomon, König von Ungarn, Epos
1876, Toledaner Klingen, Gedicht (Google Books)
1879, Der Schelm von Bergen, 2. Auflage, 1880 (Google Books)
1880, Goldschmiedkinder

Kommentare für “Denkwürdiges #15 – Poesie und Revolution auf Schloss Rosenegg

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