In der Steyrer Leopold-Werndl-Straße steht gegenüber der Handelsakademie und der Schule für Sozialbetreuungsberufe des BFI OÖ – ganzjährig durch eine Straßenlaterne und im Sommer durch Sträucher verdeckt – eine Kapelle mit dem Bild des ersten Abtes von Garsten, Berthold.

Darunter macht mich eine Inschrift neugierig:

„Aus großer Verehrung und Dankbarkeit gegen den heiligen Berthold ließ Anna Schweighofer, welche 25 Jahre in Garsten als Unterlehrerin wirkte und stets von dem Heiligen wunderbar beschützt wurde, dieses Denkmal restaurieren. 1902“

Und das lässt sich dazu erzählen:

1713 suchte eine Pestwelle Steyr heim und als zu Beginn des Jahres 1714 die – heute würde man sagen – Schutzmaßnahmen wieder aufgehoben wurden, errichteten Bürgerinnen und Bürger Kapellen und andere Denkmäler zur Erinnerung und aus Dankbarkeit, überlebt zu haben – so auch diese Kapelle mit einem Berthold-Fresko außerhalb der Stadtmauer neben einem Pestfriedhof am Weg nach Garsten[1].

Auf einer Karte von 1830 findet sich das Denkmal bei der blauen Markierung.

190 Jahre später finanzierte die damals mittlerweile in Lambach lebende, ehemals in Garsten tätige Lehrerin, Anna Schweighofer die Renovierung. Dazu schuf der „Historienmaler“ Anton Stern (Steyrer; 1827-1924) auf einer Kupferplatte ein neues Bertholdbild.

Steyrer Handwerker[2] führten Restaurierungen aus – die Maurerarbeiten Josef Schopper (Neuschönau 25), die Schlosserarbeiten Mathias Hermann (Schlüsselhofgasse 9). Ebenso waren der Vergolder Ferdinand Donke (Pfarrstiege 4) sowie der Steinmetz Woldrich (vmtl. Sarning 9) tätig. Der Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender von 1903 berichtete lobend davon.

Der Alpenbote dagegen mokierte sich unmittelbar nach der Fertigstellung vorsichtig über Anna Schweighofers Selbstinszenierung:

„Wenn man auch vielleicht nicht mit dem übermäßig langen Widmungstexte, den die Kapelle jetzt nach ihrer Renovierung aufweist, einverstanden ist, so verdient dieselbe doch als Baudenkmal einer längst entschwundenen Zeit einige Beachtung.“

Wer war diese Anna Schweighofer?

Anna Rosina Gregoria wurde am 12. März 1837 im salzburgischen Goldegg als Zwillingstochter des Martin Karl Schweighofer, landesfürtstlicher Pfleger und Kriminalrichter ebendort, geboren. Später war er Bezirksrichter in Radtstadt[3], wo er am 9. Mai 1854 im 64. Lebensjahr verstarb. Die Mutter war Franziska (geb Reich(e)l).

Franziska, also Annas Mutter, stammte aus Steyr (* 23. Februar 1809). Deren Vater, Annas Großvater mütterlicherseits, war der Steyrer „Gastgeber“ Joseph Reichl, welcher mit seiner Frau Franziska bis 1812 das heutige Haus Enge Nr. 14 besaß und an der heutigen Adresse Enge Nr. 20 (Restaurant Xin Xin) ab 1813 (bis 1831)  das Gasthaus zum Posthorn betrieb[4].

Wahrscheinlich ist dieser familiäre Bezug der Grund, warum Frl. Schweighofer später 25 Jahre lang in Garsten unterrichtete und zu ihrer Pensionierung mit 65 Jahren die Berthold Kapelle sanieren ließ.

Die Wohltäterin muss vermögend gewesen sein, denn am 25. November 1904 weiß das Linzer Volksblatt zu berichten, dass sie neuerlich spendete: für die Renovierung des Innenraumes der Loreto Kapelle bei Radstadt, wo ihre Eltern gelebt haben und sie auch aufwuchs. Der auf den italienischen Wallfahrtsort Loreto bezugnehmenden Kongregation war Anna Schweighofer wahrscheinlich durch ein Gelübde verbunden.

Anna Schweighofer starb als „ledige Private“ am 17. August 1912 an Altersschwäche in Wels und ist dort begraben.

Die Bertholdkapelle am Weg von Steyr nach Garsten wurde 1967 neuerlich saniert und dabei die von Schweighofer gestiftete Kupfertafel mit dem Bertholdbild entfernt.

Das ursprüngliche Fresko erneuerte[5] Prof. Dr. Mayrhofer – ein Verführer vieler Steyrerinnen wird berichtet, ein laisierter Priester des Stiftes Kremsmünster mit NS-Vergangenheit und einer Haftstrafe in Garsten wegen illegalen Kunsthandels. Aber das ist eine andere Geschichte, die Tom Grumböck hier erzählt.

 


[1] Pritz F. X.: Stadt Steyr. Linz 1837. S. 326.

[2] Adressen aus: Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903.

[3] Linzer Volksblatt. 25.11.1904. S. 3.

[4] Krenn I.: Häuserchronik der Altstadt Steyr. Innsbruck 1950.

[5] Ofner J.: Kunstchronik der Stadt Steyr. In: Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. Heft 30. 1972. S. 102.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert