21. April 2024 – Wir brechen zu einer Erkundungsreise durch das Land zwischen den Flüssen Save, Bosna und Neretva auf und begeben uns auf Spurensuche nach dem Wirken des jugoslawischen Architekten und Visionärs Bogdan Bogdanovic. Quasi eine Fortsetzung der Fahrt durch Serbien.

Anlass und ein Ziel dieser Fahrt ist Bogdanovic‘ «Steinerne Blume» auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Jasenovac in Kroatien.

Und das ganz terrestrisch mit Zug und Bus (wir verlassen den Boden nur um vor Vorfreude zu springen). Zu Beginn geht es von St. Valentin über Salzburg, Villach, Ljubljana nach Slavonski Brod.


22. April 2024 – Wir reisen mit dem Morgenzug nach Vukovar. Wie immer bei Reisen in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien bietet die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs interessante Fotomotive mit Architektur der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts.

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In der Donaustadt Vukovar finden sich nach über drei Jahrzehnten noch immer beklemmende Spuren des serbischen Angriffs, der 1991 die Stadt weitgehend zerstörte. Einige diese Ruinen scheinen bewusst erhalten, um die Erinnerungen  zu bewahren.

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Ziel des Tages ist der Gedenkpark Dudik, den Bogdan Bogdanvic am Rande Vukovars in Erinnerung an Massaker der kroatisch-faschistischen Ustascha gestaltete. 1941 und 1943 wurden an diesem Ort Mitglieder des antifaschistischen Widerstands und unbeteiligte ZivilistInnen erschossen. In einem Maulberhain symbolisieren fünf Kegel mit darum herum „schwimmenden“ Steinschiffen eine versunken Stadt. Das Ensemble bekam durch die Kriegsschäden 1991 (welche mittlerweile zum Teil saniert werden konnten) eine unfreiwillige und zusätzliche Dimension.

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23. April 2024 – Einen Tag nach dem Besuch des im Jahr 1991 vom serbischen Militär zerstörten reisen wir nur wenige Kilometer weiter nach Jasenovac. Mörder des kroatischen Ustascha Regime brachten hier von 1941 – 1945 über 85 000 namentlich bekannte Serben, Roma und Juden um – wahrscheinlich waren es aber bis zu 700.000 anonyme Männer, Frauen und Kinder, die niedergemetzelt wurden.

79 Jahre nach der Befreiung durch Partisanen wanderten wir zum Gedenkmuseum und der „Blume für die Toten“, die Bogdan Bogdanovic in den 1960er Jahren schuf – nach seiner Idee ein Monument, das ohne Hass zu säen an die historische Wahrheit erinnert.

Das Mahnmal ist eingebettet in eine – wie der Architekturkritiker Achleitner schreibt – metaphorische Landschaft mit kleinen Teichen und künstlich angelegten Hügeln, die zum Teil aus Senken heraus zu wachsen scheinen. An diesen Stellen waren die Hallen, Werkstätten und Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers. Die grasbewachsenen Erhebungen erinnern an Grabhügel oder Blasen, die aus dem Wasser, das das Grauen bedeckt, aufsteigen.

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Ein Ort, an dem klar wird: Es ist wohl die wesentliche Leistung unserer Zivilisation, das im Menschen angelegte Böse irgendwie, zumindest für Zeiten, im Zaum zu halten.


24. April 2024 – Am Weg nach Sarajevo besuchen wir die ehemalige Festung in Slovanski Brod. Diese war eine große kaiserliche und königliche Grenzfestung aus dem Zeitalter des Barocks. Sie wurde zwischen 1715 und 1780 an der damaligen Militärgrenze an der Save erbaut und hatte eine bedeutende strategische Stellung als Übergang an der Militärgrenze zwischen dem Osmanischen Reich und der Habsburgermonarchie. Aus diesem Grund ließ Eugen von Savoyen diese Burg durch Frondienste der lokalen Bevölkerung errichten.

Hier besuchen wir auch das gerade vor zwei Wochen eröffnete Tambura Zentrum. Das slawonische Traditionsinstrument wird in den Mittelpunkt gestellt.  Dieses Zupfinstrument kam mit der kroatischen Migration in die ganze Welt – auch nach Österreich und ist bei uns vielfach als Tamburizza bekannt.

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Von dort zur heutigen „Außengrenze“: Zu Fuß wandern wir durch die Schengen-Grenzkontrolle, über die Save-Brücke und wieder kontrolliert an der bosnischen Grenze reisen wir in die Republika Srpska ein. Was früher die Festung aus Stein war, sind heute Zäune und Barrieren, auf dass ja kein Migrant durch die Grenze schlüpft.

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Durch die Nacht fahren wir dann mit dem Bus in die bosnische Hauptstadt.


25. April 2024 – Über Sarajevo gäbe es so viel zu sagen. Eine gute Gelegenheit sich auf Eines zu beschränken: Das Rathaus. In der Habsburger Monarchie erbaut, wurde es am 20. April 1896 eröffnet und diente Verwaltungs- und Regierungszwecken.

Dieser orientalisch anmutende Bau fokussiert vieles, was wir mit Sarajevo im 20. Jahrhundert verbinden:

1914 war hier die letzte Station des Thronfolgers, bevor er wenige Meter entfernt erschossen wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Rathaus der Nationalbibliothek zur Verfügung gestellt und erfüllte diese Funktion bis zur Belagerung Sarajevos. In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1992 wurde das Rathaus in Brand geschossen. Das Feuer vernichtete dabei auch den umfangreichen Bestand der National-Universitätsbibliothek, vor allem aber viele Originale, die Teile der bosnischen Identität und Geschichte waren (aber das war ja die Absicht der Angreifer).


26. April 2024 – Vor 40 Jahren gingen in Sarajewo die Olympischen Winterspiele 1984 über die internationale Sportbühne. Es waren – das sei am Rande angemerkt – unrühmliche Spiele für die österreichische Wintersportnation: 17. Platz im Medaillenspiegel – Jimmy Steiner rettete die Ehre mit einer Bronzemedaille im alpinen Abfahrtslauf.

Damals fanden am Hausberg Trebević die von den DDR-SportlerInnen dominierten Bob-, Rodel- und Skeletonrennen auf der eigens errichteten Kunsteisbahn statt.

Der Olympiasieger 1984, DDR2 mit Wolfgang Hoppe und Dietmar Schauerhammer, in der ersten großen Kurve – in einem Video und auf einem historisches schwarz-weiß Bild.

Nach den Winterspielen wurde die Strecke bis zum Beginn des Bosnienkrieges 1991 für Weltcup-Rennen genutzt. Während des Krieges wurde die Bahn stark beschädigt. Im Zuge der Belagerung von Sarajevo wurde die hoch über der Stadt gelegene Bahn von bosnisch-serbischen Truppen als Artillerieposition genutzt und die Umgebung Bobbahn vermint.

Heute ist die Ruine spektakuläres Wanderziel, auch für mich.

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27. April 2024 – Bogdanović‘ Partisanen-Nekropole ist nicht zufällig in Mostar. Die Hauptstadt der Herzegovina war Zentrum des antifaschistischen Widerstands. Viele Opfer sind hier beerdigt.

Wir finden einen auf vielen Ebenen wahrhaft mystischen Ort, der als absolutes Meisterwerk der Gedenkkultur des 20. Jahrhunderts gesehen werden kann. Leider hinterließen Kriege und nationalistische Vandalenakte sowie weitgehende Vernachlässigung ihre Spuren.

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Aber auch im ursprünglichen Zustand gab es kein einziges religiöses oder politisches Symbol sowie keine Darstellung von Waffen oder Heldenfiguren. Der österreichische Architekturkritiker F. Achleitner betont, dass der Architekt Bogdanovic archaische Formen  auf neuartige und kluge Weise eingesetzt hat, ohne eine Interpretation von Symbolen einzufordern. Die Anlage in Mostar, ein Friedhof für über 800 Partisanen, besteht aus Terrassen, aus Wasserflächen und lose aufgelegten Grabsteinen.

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„Mostar ist insofern wahnsinnig eindrucksvoll, weil mich das an antike Stätten erinnert hat – die Terrassen, das Wasser, die Terrassenwände, die die Topographie übernehmen, der Wald, der Blick auf die Stadt“, so Achleitner. „Der Kontakt der Totenstadt mit der lebendigen Stadt.“


28. April 2024 – Zur – für diesmal – letzten Bogdan Bogdanovic Station wanderten wir, nach einer Busfahrt, Richtung Novi Travnik. Novi Travnik wurde im ehemaligen Jugoslawien rund um eine Waffenfabrik, die als Traktorenfertigung  getarnt war, künstlich geschaffen: 30.000 BürgerInnen aus allen Teilen des Staates.

Dort, am Berg Smrike, findet sich eine „Nekropole für Opfer des Faschismus“ oder auch das „Monument auf Smrike“.

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Zwölf gleiche Figuren, jeweils paarweise angeordnet, thronen auf einem kleinen Hügel, den man über eine flache Steintreppe erreicht. Die Figuren zeigen jeweils beidseitig ein schlangenartiges Wesen, das mit großen ängstlichen oder wachsamen oder neugierigen Augen, je nach BetrachterIn, in die Landschaft schaut. Die einen denken daran, dass sich die Augen erschrocken weiten, weil hier im Jahr 1941 700 Menschen hingemetzelt und dann verscharrt wurden – die Täter wiederum die faschistische Ustascha, die Opfer serbische ZivilistInnen, aber auch Roma und Juden/Jüdinnen. Die anderen BesucherInnen deuten die Blicke als die wachsamer Geister, welche auf uns Lebende aufpassen und mahnen. Wie auch immer, auf jedem Stein findet sich ein Omega als Hinweis, dass dies hier auch ein Friedhof ist.

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Tief beeindruckt geht es zu Fuß über den Hügel nach Travnik, welches im osmanischen Reich über 150 Jahre bosnische Hauptstadt und Sitz der Wesire war. Nicht zuletzt deswegen schrieb der hier geborene Ivo Andric den Roman „Wesire und Konsuln“, der in jener Zeit spielt, als die Franzosen und Österreicher zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Travnik Konsulate betrieben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück nach Sarajevo und am nächsten Tag per Bus über Kroatien nach Hause: So endet meine Spurensuche am Balkan. Danke an Marco Vanek für die perfekte Reiseleitung.

Kommentare für “… und wieder auf Bogdan Bogdanovic‘ Spuren – Slawonien und Bosnien

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