Durch Steyr flanierend kann man – nicht nur zu Zeiten der Landesausstellung – Geschichte lernen: im Wehrgraben, beim Schloss, im Stollen der Erinnerung, im Innerberger Stadel, aber auch in den alten Arbeitersiedlungen Ennsleite oder Münichholz. Vieles ist geprägt von einer Kultur traditioneller Eisen-, Rüstungs- und zuletzt Automobilindustrie – die ist in aller Munde, seit MAN Ernst macht mit dem Rückzug aus Steyr. 

Ennsleite Steyr © Hannes Ecker

Wir erleben gerade, wie es ist, wenn eine Epoche – diesmal die Produktion von Verbrennungsmotoren – beginnt, zu Ende zu gehen. In der alten Eisenstadt lässt sich aber vor allem Zukunft lernen. Dass sich jetzt scheinbar unverrückbare Industriebetriebe, die den Wohlstand hier mitbegründen, radikal wandeln, kommt alle 30 bis 40 Jahre vor. Entscheidend ist: Jedes Mal haben die Menschen dieser Stadt das als Chance für eine erfolgreiche Zukunft genutzt.

Glocken auf der Ennsleite © Hannes Ecker

1918 brach nach dem Ersten Weltkrieg und dem Verbot der Kriegs­waffenproduktion die Industrie zusammen. Darauf gründet sich eine stolze hundertjährige Zeit der Automobilproduktion. 1945 entstand aus den zerstörten Werken die verstaatlichte Industrie, die über Jahrzehnte Menschen und Stadt wirtschaftliche Sicherheit gab.

In den 1980er Jahren folgten dann der Niedergang dieser Betriebe: über 7 000 Kündigungen. Bürgermeister Leithenmayr und andere ließen sich nicht unterkriegen, gründeten die Fachhochschule, Forschungseinrichtungen und den Wirtschaftspark im Stadtgut – alles wesentliche Grundlagen für einen über Jahrzehnte erfolgreichen Standort.

Gedicht der Karosseriebauer 1922 © Sammlung Verein Museum Arbeitswelt

Heute ist allen klar, dass Verbrennungsmotoren, von denen die Steyrer Auto(zuliefer)industrie lebt, ihrem Ende zugehen – nicht sofort, aber bald. 

Und Steyr wird wieder die Chancen nutzen und die Zukunft gestalten durch Standortmarketing und Ansiedelungsförderung, die auf die hohe Qualifikation der hiesigen ArbeitnehmerInnen setzt, und mittels Sicherung und Weiterentwicklung der Ausbildungsmöglichkeiten. Es braucht dazu Forschungsförderung und Modellprojekte rund um klimafreundliche Mobilität und nicht zuletzt eine großzügige Finanzierung der sozialen Sicherheit für die vom Wandel betroffen Menschen – das in Kombination mit harten Verhandlungen mit den jetzigen Standortbetreibern. Steyr ist manchmal geprägt von Krisen, aber vor allem von einer Kultur der Chancen und der Zukunft.

Steyr Revue Nr.5-192 Auto in der Großstadt © Oö. Landesbibliothek

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