1918 kehrte mein Großvater Leopold Jungwirth als 25-Jähriger nach vier Jahren an den Fronten des Ersten Weltkriegs in sein Elternhaus (Kirchberg ob der Donau) zurück. Er war – wie er in seinem Lebenslauf schrieb – ein „schwer Kranker, und konnte erst wieder im Sommer 1925 langsam die Arbeit beginnen“. Es folgten seine acht Wanderjahre in die Schweiz, nach Vorarlberg und Tirol, wo er in Landwirtschaft und Gastronomie arbeitete.

Danach versuchte, er in Linz mit seiner Frau Ida und den Kindern Hermann, meinem Vater, und Karoline sesshaft zu werden.

Die beiden finden sich 1933 als „Gastwirt“ im amtlichen Linzer Adressbuch unter Blumauerstraße 6, wo sie das Gasthaus zum Schwarzen Rössl von Mai 1932 bis März 1933 als Pächter betrieben. Leopold über diese Zeit: „… und pachtete ein Gasthaus, das ich infolge der dort einsetzenden schlechten Zeiten nach 9 Monaten aufgeben musste“ . Im Linzer Stadtarchiv finden sich davon eine Fassadenansicht und ein Plan (wobei diese nicht vollständig zusammenpassen, da sie offensichtlich aus verschiedenen Bauetappen stammen).  Im Hinterhof residierte (jedenfalls 1926) die Schuhoberteilefabrik Bruder, Winter und Co.

In den Jahren davor war die Gastwirtschaft mit Extraräumen und Kegelbahn wesentlich größer.

Heute steht dort ein mehrgeschossiger Neubau (an der mittlerweile anders verlaufenden Blumauerstraße).

dort, wo in dessen Hof dieser Baum wächst, war das Schwarze Rössl (so hieß dann später ein anderes Gasthaus in der Raimundstraße, Ecke Grillparzerstraße).

Im amtlichen Linzer Adressbuch 1934 sind Ida und Leopold Jungwirth in der wenige Schritte entfernten Goethestraße 54 zu finden (heute: ein Nachkriegsbau zwischen Dinghoferstraße und Starhembergstraße, Nähe Südbahnhofmarkt). Zu der Zeit war mein Großvater schon (und dann bis 1938) arbeitslos.

Notgedrungen fand die Familie bei entfernt Verwandten in der Fischervilla in Untermühl an der Donau Zuflucht. Von diesem, im Staubereich des Kraftwerks Aschach später untergegangen, Haus existiert ein Gemälde von Erwin Pendl von 1930 (Haus im Zentrum des Bildes).

Die Familie blieb bis nach dem Zweiten Weltkrieg, während Leopold in den neuen Hermann Göring Werken Arbeit fand – zuerst 1939 als „qualifizierter Arbeiter auf der Kippe“ (so laut handschriftlichem Lebenslauf aus 1941). Danach war mein Großvater in Fremd- und Zwangsarbeiterlagern als Badeheizer bzw. Badewärter, Schreiber und Hilfslagerführer tätig. Laut einer von mir beauftragten Untersuchung des Linzer Historikers H. Rafetseder war er nie Mitglied der NSDAP und es wurden ihm keine Verstöße gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Zweifelsohne profitierte er aber von der Ausbeutung der Fremd- und ZwangsarbeiterInnen.

Er selbst wohnte zuerst 1939 im Lager 56 – heute Wohnbauten bei Kleinmünchen entlang der Wienerstraße, an der Adresse Eisvoglgang in der Nähe der jetzigen Straßenbahnremise.

Ab 1941 war das Lager 57 seine Linzer Wohnstätte, in dem auch deutsche und ukrainische ZwangsarbeiterInnen untergebracht waren. Das Lager befand sich im Stadtteil Neue Welt, an der heutigen Salzburgerstraße, Ecke Am Heideweg.

Zu Kriegsende war er in das Lager 20 am Werksgelände übersiedelt, leitete dieses ab 1946 als Wohnlager und wohnte ab 1947 gemeinsam mit seiner Familie dort – 1948 gemeinsam mit 450 Menschen. Hier verstarb Leopold Jungwirth 1955 – der Bau meines Elternhauses am Stadtrand von Linz (Langholzfeld) war gerade begonnen worden.

Auf einem Luftbild von 1944 sieht man das Lager 20 rechts oben bei der Nr. 12.

Eine Aufnahme aus derselben Zeit zeigt die Lagerbaracken hinter dem Bunker in der Bildmitte.

Eine Planskizze von 1949 gibt uns den Hinweis, dass die Wohnbaracken zumeist Ziegel- oder Steinbauten gewesen sein müssen.

1954 waren die Wohnbaracken vom Hochwasser katastrophal betroffen.

Fotocredits: Geschichteclub Stahl, Lentia Verlag, Archiv der Stadt Linz

Kommentare für “Als Leopold Jungwirth versuchte, in Linz sesshaft zu werden

  • Dank für dieser bericht. Steht vielleicht Lager 70 auch auf die Bilder. Meine verwanten habe da gelebt. Kommende von Sudetenland. Ich war schon mahl in Liter archief aber damals gab es nicht zu viel ein zu sehen. Beim letzte besuch in juli gab es geine Möglichkeit was mehr heraus zu finden. Wir hatten gein Termin gemacht und auf der falsche website gelezen das wan man für 10.30 sich meldete einiges ein sehen konte. Wir waren speciaal aus der Niederlande vorbei gekommen. Deswegen hoffe ich das es nog weiter info gibt wegen Lagerplan. Danke schon in voraus. LG aus der Niederlande Mieke

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